Hier ein Selfie. Da noch kurz ein Partyfoto machen. Mal eben ein Foto vom kleinen Cousin machen, oder doch besser 10. Hat man nachher mehr Auswahl. Ein Shooting mit der besten Freundin gemacht, 300 Bilder bei rumgekommen. Schnell alles auf Instagram teilen, 100 Likes - super! Ach, und hast Du schon die Fotos vom Oktoberfest letztes Wochenende auf den PC geladen? Schick mal schnell rüber, ich wollte das eine doch unbedingt auf Facebook posten!

Unsere Generation lebt im Überfluss. Wir haben Fotos im Überfluss. Wohl jeder von uns hat ein Handy voll mit Fotos. Wichtige Fotos wie die Freundesclique bei der Bachelorfeier, das erste eigene Auto oder der kleine Bruder, der sein Abi gemacht hat. Natürlich sind auch unwichtige Fotos dazwischen, wie Oberteile, die man anprobiert und an Freunde verschickt hat und letztlich dann doch nicht gekauft hat. Neben dem Handy voll mit Fotos haben die meisten dann noch eine Digitalkamera und / oder Spiegelreflexkamera, die auch nochmal zig tausende von Fotos liefert.
Das hat sich klar geändert im Vergleich zu früher. Wir fotografieren nicht mehr so bewusst. Wir knipsen alles, was uns irgendwie interessant erscheint und entscheiden erst nachher, welche Fotos wir wirklich behalten wollen. Aber entscheiden wir das wirklich? Oft lassen wir die Fotos doch auch so unberührt im Ordner auf dem PC und schauen sie gar nicht wirklich wieder an? Vielleicht die besten 2, die auf Facebook gepostet werden, aber das war es dann.
Früher, da gab es eine Kamera mit Film. Filme waren teuer, die Entwicklung der Fotos war noch teurer und man war extrem sparsam mit seinen Auslösungen. Oft hatte man da nach einem tollen Sommerurlaub "nur" 24 oder 48 Fotos, von denen vielleicht mindestens 10 auch noch schlecht waren, weil falsch belichtet oder einfach unscharf.
Nur 24 Fotos? Man hatte 24 Fotos, die wertvoll waren. 24 Fotos, die irgendwie genügt haben, um den ganzen Urlaub zu zeigen. Alle wichtigen Details waren darauf zu erkennen. Und die 24 Fotos hat man dann in ein Fotoalbum eingeklebt, welches man sich auch 20 Jahre später noch angeschaut hat und sich an den tollen Urlaub zurück erinnert hat.
Was sind 24 Fotos heute? Nichts sind 24 Fotos heute. 24 Fotos machen wir im Urlaub in einer Stunde und das, ohne uns viel Mühe zu geben. Und die Fotos, die bleiben dann auf dem Handy oder PC. Die bleiben einfach und werden nicht wieder angeschaut. Oder vielleicht ein Jahr lang, wenn es ganz lang ist. Aber dann, wenn der neue Urlaub war, ist der doch viel interessanter. Und spätestens mit dem Kauf vom neuen Handy nach zwei Jahren sind doch die alten Fotos sowieso gelöscht.
Wir haben Fotos im Überfluss. Aber wir haben keine Erinnerungen.
Hand aufs Herz. Wer von Euch oder Euren Freunden und Bekannten lässt seine Bilder regelmäßig drucken und klebt diese in Fotoalben ein? Ich würde wetten, dass das nicht viele sind. Man hat doch den PC und das ist ja viel bequemer. Aber auch da wird man die Fotos nicht ewig auf den neuen PC übertragen. Oder sich die Mühe machen, die alten Ordner durchzuschauen. Und überhaupt - ist es nicht etwas ganz anderes sich mit einem alten Fotoalbum hinzusetzen und dort die alten Fotos anzuschauen, neben denen noch in Handschrift geschrieben steht, wann das war und wer?!

Ich möchte behaupten, dass der Großteil von uns seine Fotos nicht regelmäßig in Fotoalben klebt. Ich zähle mich selbst auch dazu. Ich habe zwar Fotoalben, aber diese zu pflegen, dauert einfach ewig. Im Vergleich dazu, dauert es gerade mal 4 Minuten, die Fotos von der Digitalkamera auf den PC zu laden und den Ordner umzubenennen. Einer von 200 Ordnern mit je 400 Bildern, der in einem Jahr schon keine Bedeutung mehr haben wird. Fotoalben zu erstellen dauert. Man muss auf die Abzüge warten, man muss diese sortieren, einkleben, Kommentare schreiben. Viel teurer sind Fotoalben auch noch, weil man zusätzliches Material braucht. Beim PC ist ja alles schon vorhanden.
Ich weiß, dass es viel Arbeit ist. Aber ich weiß auch, dass es die Arbeit wert ist. Ich weiß, dass ich es bereuen werde, wenn ich meine Fotos nicht in Alben klebe und damit bald keine Erinnerungen mehr an das Jetzt haben werde. Und deswegen nehme ich mir vor, weniger digital zu leben, und mehr "Vintage" zu sein, eben ganz einfach mit den ganz normalen Fotoalben und den ganz normalen Abzügen, die man an langen Winterabenden einklebt.

Ich möchte uns alle anregen, weniger zu fotografieren und mehr bewusst zu fotografieren. Machen wir nicht 200 Bilder, sondern 50, die wir aber alle wertvoll finden und die Momente einfangen, die uns träumen lassen. Ich möchte, dass wir uns die Zeit nehmen, uns die besten Fotos rauszusuchen. Und diese drucken lassen, alle "besten Fotos" aber nicht mehr. Ich möchte, dass wir nicht nur im Internet leben, sondern die Fotos auch "anfassen" können. Lasst uns Erinnerungen schaffen und lasst uns und unsere Kinder in 20 Jahren auch durch Fotoalben blättern, die all die tollen Fotos von heute zeigen....
PS: Ich habe die Idee zu diesem Post von einem anderen Artikel bekommen, den ich nicht wieder finde und deshalb nicht verlinken kann. Credits gehen damit an unbekannt für die Idee / Inspiration.
PPS: Ich hab ewig nicht von mir hören lassen, weil ich extrem im Stress bin. Jetzt bin ich krank und ironischerweise habe ich jetzt die Zeit, wenigstens Mal ne halbe Stunde lang vom Bett aus einen Post zu veröffentlichen...^^