Früher wollte ich Autorin werden. Ich wollte Bücher schreiben, Orte schaffen, Geschichten, welche die Menschen in eine andere Welt entführen. Meine Worte ließ ich über die Blätter tanzen, bis sie sich manchmal wie von selbst zu etwas Großem zusammen fügten. Ich war ganz ich selbst, das war ich, das war meine Leidenschaft und dort konnte ich entspannen.
Ich habe geschrieben, tagelang. Alles wurde notiert. Mit meinem Papa habe ich abends immer Geschichten erzählt, die wir uns selbst ausgedacht haben. Mein kleines Geschichtenbuch, in das ich mit meiner krakeligen Kinderschrift immer alles schrieb, war mein Ein und Alles, mein ganzer Stolz. Ich wollte mitreißen, ich war mir so sicher, dass ich Autorin werden würde, ich hab angefangen Bücher zu schreiben, und irgendwann habe ich es gelassen.
Warum ich aufgehört habe zu schreiben, weiß ich nicht mehr. Vielleicht war es der Deutschunterricht in der Schule, der mich irgendwann ab der Mittelstufe nur noch vergrault hat. Ich konnte mit Sprache umgehen, gut sogar, aber warum sollte ich ein 50 Jahre altes Buch interpretieren? Das hat sich mir nie ganz erschlossen. Vielleicht war es auch einfach die Zeit, ich war viel unterwegs und irgendwann werden andere Dinge eben einfach wichtiger.
Die Wirkung, die Bücher und Geschichten haben können, hab ich aber nie vergessen. Sie reißen mit, sie laden zum Träumen ein und wenn Du die Texte liest, dann hast Du sofort ein Bild vor Augen, unweigerlich.
Heute möchte ich wieder Geschichten erzählen. Und ich glaube, das tue ich schon seit einer ganzen Weile, vielleicht ohne es gemerkt zu haben. Ich mache Bilder. Und erzählen Bilder nicht auch Geschichten? Hast Du nicht, wenn Du ein Bild siehst, auch sofort eine Geschichte dazu im Kopf?
Ich möchte Geschichten erzählen. Meine Bilder sollen sprechen, sie sollen sprudeln vor Leben und sie sollen so viel spürbar machen. Ich möchte Emotionen einfangen, jeden Mensch so zeigen wie er ist - ruhig oder energisch, nachdenklich oder offen. Ich möchte nicht einfach knipsen, ich möchte Welten schaffen.
Jede Person vor der Kamera ist anders. Auf jeden Kunden, auf jedes Modell muss ich mich neu einstellen und das ist gut so. Am Anfang ist das schwierig, aber man merkt schnell, was zu der Person passt und was nicht. Ich fotografiere nach Gefühl, nicht nach Technik oder Einstellungen, die ich immer nehme, ich fühle, was passt. Am Liebsten mag ich Shootings, die nach ein paar anfänglichen Anweisungen von mir ganz von alleine laufen, weil die Personen einfach sie selbst sind. Das ist nicht leicht, man selbst zu sein, vor einer unbekannten Fotografin, die man nur für 60-90 Minuten sieht. Aber oft gelingt es mir. Und wenn das so ist, dann weiß ich, ich habe es wieder einmal geschafft. Ich habe Emotionen sprudeln lassen, ich lasse Bilder sprechen, ich zeige den Charakter der Menschen.
Und ich schreibe Geschichten. Anders zwar als ich es früher gedacht hatte. Aber dennoch - Ich schreibe Geschichten.